2-play-on-earth


 ZURÜCK ZUM HAUPTMENÜ

--- News und Berichte ---

 

Nr.XI: Südamerika I

22.03.2010 (Kolumbien) bis 01.09.2010 (Peru/Grönland)

 

01.09.2010, Kaiser Franz Josef Fjord (Nordost Grönland): Wir steigen in Lima ins Flugzeug und hopsen mit einem Zwischenstopp bei Familie und Freunden in Österreich (und viel zu heißem Wetter) in die europäische Arktis nach Svalbard (Spitzbergen). Wie jedes Jahr arbeiten wir als Guides auf einem kleinen Schiff (80 Passagiere), mit dem wir auf Expeditionsreisen rund ums Archipel fahren(www.oceanwide-expeditions.com). Packeis, Eisbären, Walrosse, Seevögel, Tundra, Kältewüste und wunderschöne Wanderungen erwarten uns. Die Arbeit ist (wie jeder Job im Tourismus) anstrengend, macht aber ungemein Spaß, ist jedes Jahr eine neue Herausforderung und immer anders. Die Zeit vergeht wie im Flug und nach sechs Reisen rund um Spitzbergen setzen wir nach Nordostgrönland über. Phantastisches Wetter begleitet uns auf dieser letzten Fahrt und sogar die für Stürme berüchtigte Dänemarkstraße (zwischen Ostgrönland und Island) verhält sich so ruhig wie nie zuvor – ein guter Abschluss für eine lange Saison...

  

 

  

  

 

  

 

  

  


08.06.2010, Lima (Peru): Wir rollen hinaus aus Trujillo und über eine nebelige Piste gelangen wir auf die Strasse in die Berge nach Huaraz. Die kommende Strecke ist für gut achtzig Kilometer eine schmale grobschottrige Piste, die sich durch eine tiefe Schlucht und 35 kleine Tunnel bis auf 3000 Meter hinauf schlängelt. Eine irre, wunderschöne, staubige und anstrengende Strecke. Hier kommen uns zwei Motorradfahrer entgegen. Renate und Peter, die zwei ersten "selbstfahrenden Österreicher" die uns begegnen (siehe andere Vehikel)! Spontan campen wir gemeinsam neben der Schotterpiste im Schilf des Flusses und tauschen Geschichten aus. Die Piste endet und wir befinden uns in grünem Weideland, wo sich ein Dorf an des andere reiht. Die ersten vergletscherten Bergriesen kommen ins Blickfeld und wir erreichen nach fünf Tagen am Rad Huaraz. Vier Tage verbringen wir mit Wandern in der Cordillera Blanca. Einsame Täler, mächtige Berge, riesige Gletscher, strahlend blauer Himmel und eisige Nächte, wenn wir auf 4600 Metern zelten. Die Gegend ist phantastisch und ein absolutes Highlight auf unserer Reise! Ed hat seine Dokumente ersetzt bekommen und sein Rad repariert. Er kommt uns hinterher und hier in Huaraz treffen wir uns wieder. Nach einem gemütlichen Abend treten wir für einen halben Tag gemeinsam in die Pedale. Morgens ist es eisig. Langsam klettert die Strasse höher und die Landschaft wird karg. Trockenes, einsames Weideland und eine grandiose Bergszenarie. Wir trennen uns ein letztes Mal von Ed, der weiterhin in den Bergen bleiben möchte und nach Nordosten abzweigt. Wir wollen in Richtung Süden und an die Küste. Wieder eine Nacht auf über 4000 Meter Seehöhe (siehe Superlative), wo wir im einzigen "Fremdenzimmer" des kleinen Dorfes Conococha übernachten. Am nächsten Morgen starten wir zur längsten Abfahrt unserer Radlerkarriere: 4100 Höhenmeter kontinuierlich bergab! Eine grandiose Fahrt vom Hochland zur Küste. In Serpentinen windet sich die Strasse den Berg hinunter, führt uns durch Orte und letztendlich einem Fluss entlang ins Flachland. Leider beginnnt der Landeinwind bzw. der Talaufwind zu früh, sodass wir keinen guten Tagesschnitt erzielen und bremst uns in der zweiten, flacheren Hälfte der Abfahrt erheblich. An der Küste erwartet uns Sandwüste – die Landschaft erinnert an die Sahara. Jedoch hängt der Küstennebel tief und alles wirkt trostlos. Hunderte "Hühnerfabriken" säumen die Strasse, der Geruch ist fast unerträglich. So trostlos es unterwegs auf der Strasse ist, umso interessanter sind unsere Übernachtungsstops. Einmal zweigen wir 8km vom Highway ab und fahren hinauf in den den Nebelwald (Nationlpark Lachay), wo wir eine nebelig-feuchte Zeltnacht verbringen und uns lästige Nagetierchen nachts unsere Taschen löchrig knabbern. Die nebelige Morgenstimmung ist dennoch phantastisch. Eine Nacht später kehren wir in einem Hare Krishna Ashram ein, der wie eine Fatamorgana aus einer anderen Welt in der peruanischen Küstenwüste steht. Indische Türmchen und Tempel. Wir dürfen zelten und geniessen die skuril-indisch-peruanische Atmosphäre. Über einen langgezogenen Berg und dicken Nebel erreichen wir Lima. Allein 50 Kilometer in dichtem Stadtverkehr haben wir zurück zu legen, um zu unseren Gastgebern Marc und Chantal im Süden der Stadt zu gelangen. Hier parken wir unsere Drahtesel für die nächsten zweieinhalb Monate, da wir wieder eine Arbeitsradpause einlegen. Von Lima aus fliegen wir (wie jedes Jahr) mit einem kurzen Stop in Österreich nach Spitzbergen und Grönland, um dort als Vortragende, ReiseleiterIn und WanderführerIn auf einem Expeditionsschiff für "Oceanwide Expeditions" zu arbeiten...

 

  

 

 

 

  

 

 

 

 

 

  

 

  

 

 

 

  

 

  

 


 

22.05.2010, Trujillo (Peru): Um von Piura aus weiter nach Süden zu gelangen, gibt es zwei Möglichkeiten. Die kürzere Strecke führt stracks durch die Wüste und ist ein Hotspot für Überfälle. Wir wählen die zweite Strecke. Sie ist zwar länger, dafür aber sicherer. Trockenes Buschland, kleine Dörfer und lange gerade Strassen. Da wir etwas entfernt von der Küste radeln ist der Gegenwind erst nachmittags präsent. Wir zelten am Weg und erreichen (wieder zurück in Küstennähe) die kleine Stadt Chiclayo mit einem wunderschönen grossen Markt. Als wir vor einem Hotel anhalten, versuchen uns Leute von den Rädern abzulenken und hinter unserem Rücken macht sich bereits ein weiterer an unseren Taschen zu schaffen. Zum Glück kam uns die Sache seltsam vor, wir haben die Jungs rechtzeitig durchschaut und uns zu unseren Rädern umgedreht. Etliche Personen warnen uns, unsere Sachen (vor allem) am Markt so fest wie möglich zu halten. Auch werden wir vor Überfällen in einsamen Gassen gewarnt. Als wir abends unsere Emails lesen, erhalten wir Nachricht von Ed, mit dem wir in Ecuador ein paar Tage gemeinsam geradelt sind, und der kurz vor uns fährt (siehe getroffene Radler). Er wurde unmittelbar vor Trujillo (unser nächstes Ziel) überfallen. Am hellichten Tag. Die Panamericana ist in dieser Wüstengegend nicht besonders stark befahren und plötzlich standen drei Typen mit einem Messer auf der Strasse. Sie griffen ihn an, stürzten ihn vom Rad, schnappten sich eine Tasche, warfen das Rad von einer Brücke und flüchteten. Geld, Kreditkarte, Reisepass, Kamera - alles weg und das Rad beschädigt. Auf diesem Streckenabschnitt gab es in diesem Jahr bereits sieben Überfälle dieser Art auf Radfahrer. Beim Weiterfahren rotieren unsere Gedanken im Kreis. Die besagte Strecke (um den Ort Paiján) trotzdem fahren – es werden ja nicht alle Radler überfallen – oder per Taxi umgehen? Wir sind in den vergangenen Jahren schon mehrmals Strecken gefahren, auf denen Banditen ihr Unwesen treiben und wir sind immer geradelt. Hier sind allerdings speziell Langstreckenradler Zielscheibe des Verbrechens. Bei starkem Gegenwind erreichen wir nach einsamer Wüstenfahrt den Ort Pacasmayo, wo uns die Polizei stoppt. Sie warnen uns davor, die Etappe nach Trujillo zu radeln und raten uns ausdrücklich, einen Bus zu nehmen. Das sind genug Warnungen! Kurz entschlossen nehmen wir ein Taxi und erreichen noch am selben Abend Trujillo. Hier befindet sich eine berühmte "Casa de Cyclistas". Das Haus von Lucho und seiner Familie, in dem alle Radreisenden willkommen sind. Wir sind Nummer 1321 und 1322. Allerdings kommen wir zu keinem idealen Zeitpunkt. Das Haus ist voll und wir "stapeln" uns dazu. Komischerweise ist nur ein wirklicher Radfahrer unter den Gästen. Backpacker überwiegen. Ebenso im Haus übernachtet ein Rollstuhlfahrer, der von Kolumbien hierher gerollt ist. Er hat soeben einen Dauer-Rollstuhl-Fahr Weltrekord aufgestellt. Wir treffen hier wiederum auf Ed, der schon seit Tagen damit beschäftigt ist, seine gestohlenen Dokumente ersetzt zu bekommen und sein Rad zu reparieren. Armer Kerl.

 

 

 

  

 

 

 

 

 

  

 


 

17.05.2010, Piura (Peru): Nachdem wir genug vom feuchten und tristen Hochland haben, beschliessen wir dem schlechten Wetter zu entkommen, und fahren von Cuenca in Richtung Westen über 2500 Höhenmeter hinunter an die Küste. Wir durchrollen in nur wenigen Kilometern verschiedene Vegetationsstufen. Von feucht, grünen Hügeln mit Landwirtschaft geht es hinunter (unter die erste Wolkendecke) in eine extrem trockene Zone mit Kakteen und viel Staub. Einige Kurven weiter bergab tauchen wir in dichten Nebel ein und aktivieren unsere Rücklichter. Mit einem Schlag ist es grün. Kurz darauf wird es schwül und warm, Bananen wachsen neben der Strasse und es ist üppig dschungelartig. Wir kommen unter den Nebel (zweite Wolkenschichte) und rollen hinaus ins Flachland. Die Sonne kommt heraus und wir strampeln uns durch endlose Bananenplantagen. Über den ziemlich verrufenen Grenzübergang von Huaquillas / Aguas Verdes kommen wir ohne irgend ein Problem nach Peru und an die Pazifikküste. Immer trockener wird das Land und je weiter wir nach Süden kommen, desto wüstenhafter wird es um uns, bis wir uns in einer staubigen, steppenhaften Halbwüste mit Dornbuschvegetation befinden. Die Strassen in Peru sind mies, schmal und oft von Schlaglöchern übersät. Die kleinen Ortschaften wirken armselig, staubig und teils trostlos, und erinnern uns an den Nahen Osten und Afrika. Motorrikschas sausen uns um die Ohren. Autos gibt es wenige. Zwei Mal übernachten wir an hübschen endlosen Sandstränden und springen in die Fluten. Es ist bisher schon windig gewesen, aber als wir den Surferort Máncora verlassen hindert uns der starke Südwind beinahe völlig am Weiterkommen. Die nächsten Radtage sind eine Qual und der Gegenwind nimmt uns fast die Freude an der herrlichen Wüstenlandschaft, durch die wir schleichen. Zwei Tage später als gedacht erreichen wir die Stadt Piura. Zeit für eine kleine Verschnaufpause. Wir streifen mit Michael, einem netten Deutschen, der hier schon seit eineinhalb Jahren arbeitet, durch die Stadt. Stundenlang sitzen wir zusammen und tauschen Geschichten aus. Er wurde bisher drei Mal überfallen. Das erste Mal an seinem ersten Tag, das zweite Mal an seinem zweiten Tag und das dritte Mal am Tag bevor er auf Heimurlaub geflogen ist. Heute waren wir mit ihm am grossen, bunten Markt auf dem man alles und noch mehr kaufen kann und wo es von Menschen nur so wimmelt. Michael meint, dass er heute ausnahmsweise seine Kamera dabei hat. Sonst lässt er sie zu Hause, weil es zu gefährlich ist. Wir sind gerade mal fünf Minuten am Markt unterwegs und Michaels Kamera ist weg. Schwupps, aus der geschlossenen Tasche gestohlen! Wow! Das Ganze ging unglaublich schnell. So ein Pech. Für uns eine Warnung, besser auf unsere Habseeligkeiten aufzupassen. Uns wurde in über drei Jahren noch nie etwas gestohlen – und wir hätten gerne, dass das auch so bleiben. Wir verbringen einen weiteren Tag in Piura, dann geht es wieder hinaus auf die Strasse und in den Wind...

 

 

 

 

 

  

 

 

 

 

 

  

 

  

 

 

 

  

 

  

 


05.05.2010, Cuenca (Ecuador): Am Wochenende findet in Quito der "Ciclo Paseo" statt. In der ganzen Stadt sind grosse Strassen für den Autoverkehr gesperrt und gehören allein den RadfahrerInnen! Ganz Quito rollt auf zwei Rädern. Eine tolle Atmosphäre! Da können sich die europäischen Städte noch etwas abschauen. Wir bekommen beinahe das Gefühl, dass Quito eine grüne, alternative Stadt ist. Am Tag, an dem wir uns von unseren Freunden verabschieden, sind wir allerdings wieder zurück in der Realität. LKWs und Busse pusten dicken schwarzen Rauch in die Gassen. Der Hals kratzt. Die Abgase hüllen die Stadt in eine graue Wolke. Die 20km hinaus aus der City (immer leicht bergauf) sind eine Tortur. Endlich sind wir wieder in den grünen Hügeln und können aufatmen. Leider ist der Wettergott nicht auf unserer Seite. Regen und dichter Nebel sind unsere täglichen Begleiter. Über Riobamba fahren wir nach Süden. Links und rechts mächtige Vulkane wie der Chimborazo. Wir sehen sie jedoch nur auf den Tourismus-Werbeplakaten neben der Strasse. Die Wolkendecke hängt tief und oft fahren wir stundenlang im Regen. In kleinen Orten in billigen Hotelzimmern versuchen wir abends unsere Kleidung zu trocknen. Am nächsten Tag geht es gleich wieder hinein in den nächsten Regenguss. Für den kleinen Hunger unterwegs werden gegrillte Schweine im Ganzen und am Dorfplatz Meerschweinchen am Spiess angeboten. Interessante Fotomotive, aber kein Paradies für Vegetarier. Wir kehren vermehrt bei Chinarestaurants ein, die es (fast) überall gibt und bekommen Reis mit Gemüse. Die Strecke ist gebirgig und täglich strampeln wir bis über 2000 Höhenmeter. Hier in den nebligen feuchten Hügeln Ecuadors treffen wir einen Radler: Ed, aus England, den wir vor Monaten auf der Baja California (Mexiko) schon einmal getroffen hatten (siehe getroffene Radler). Gemeinsam fahren wir die letzten zwei Tage bis Cuenca, der bisher schönsten Stadt in Ecuador. Nach wie vor hängen die Wolken tief und es regnet oft, doch hat die kleine Stadt eine gemütliche, angenehme Atmosphäre. Auch ein guter Platz, um krank zu sein, denn es gibt moderne Krankenhäuser. Valeska hat sich Amöben eingefangen und wir verbringen zwangsläufig ein paar extra Tage in Cuenca, bevor wir wieder auf unsere Drahtesel steigen...

 

  

 

 

 

  

 

 

 

  

 

 

 

  

 

  

 

  

 


25.04.2010, Quito (Ecuador): Es ist bewölkt und regnerisch, als wir Medellin verlassen. In den nächsten Wochen sind Regengüsse unsere unliebsame Gesellschaft. Manchmal regnet es bereits morgens und wir drehen uns im Bett noch einmal um, dann erwischt es uns wieder unter tags, manchmal abends und zwischendurch hält das Wetter sogar ab und zu. Steil geht es oft über mehrere Tage bergauf. Danach in Windeseile über tausend Meter auf der anderen Seite bergab. Dann wieder für zwei Tage hinauf und hinunter und hinauf und hinunter. Wir dachten, dass Mexiko und Guatemala hügelig wären, aber Kolumbien stellt alles bisher Dagewesene in den Schatten. Täglich fahren wir gut über tausend Höhenmeter mit Spitzentagen an denen wir über zweitausend bewältigen. Phantastische Landschaften, grüne Weiden, Wälder und Berge. Nachts ist es angenehm kühl und unter tags gemütlich warm. In den Hügeln des Landes trainieren unzählige Rennradfahrer. Vor allem am Wochenende sausen uns hunderte Radler um die Ohren. Grüssen, winken, plaudern und wir bekommen Bananen geschenkt. Ein anderes Mal messen wir unsere Kräfte mit Mountainbikern, die wir nach dem Weg gefragt haben. Wir übernachten in kleinen, schmuddeligen Hotels an der Strasse, bei Leuten die wir über die Radler-network-seite www.warmshowers.org kennen lernen, schlafen auf einer Bananenfarm, in einer Dorfdisco, zelten neben dem Pool eines Hotels und werden von der Strasse weg zum Übernachten in ein Privathaus eingeladen. Wir sind zu Gast bei reichen Kolumbianern, bei Leuten der Mittelschicht und bei armen Bauern. Eines haben alle gemeinsam: Gastfreundschaft! Die Menschen sind hier extrem offen und freundlich uns Ausländern gegenüber und wir fühlen uns rundum wohl. In Kolumbien gibt es kein komisches Gefühl im Bauch, wenn wir nachts auf der Strasse sind. Nie werden wir blöd angemacht, niemand schreit uns zur Belustigung anderer Unverständliches hinterher. Niemand nennt uns Gringos. Man geht auf uns mit viel Interesse und Neugier zu, aber verglichen mit vielen anderen Ländern werden wir in Kolumbien nie müde unsere Geschichte zu erzählen. Die Freundlichkeit der Menschen ist enorm und das Land zählt diesbezüglich zu unseren absoluten Favoriten! Obwohl die Guerilla-Aktivitäten noch nicht komplett unter Kontrolle sind (unter anderem im Grenzgebiet zu Ecuador), fühlen wir uns in Kolumbien nie und nirgends unsicher oder in Gefahr. Wir strampeln durch die Kaffee-Anbau-Gebiete und durch die Ebene um Cali, wo die Strasse von Zuckerrohrfeldern gesäumt ist. Wieder geht es lange und ausgiebig bergauf, und wir erreichen die hübsche Kollonialstadt Popayan. Ein weiteres Mal rollen wir weit hinunter in ein trockenes Tal mit wüstenhafter Vegetation, bevor wir erneut auf über 3000 Meter klettern. Über Pasto und die interessante Kirche von Las Lajas erreichen wir nach einem ewigen Tag mit 2400 Höhenmetern und über hundert Kilometern Ecuador. Das Land empfängt uns mit schlechtem Wetter und unzähligen weiteren Hügeln und tiefen Gräben. Aber es gibt auch strahlend-klare Morgen mit schoenen Blicken auf Vulkane und phantastische Vegatationsabfolgen. Kakteen- und Trockenvegetation in den Schluchten und grüne Weiden und Wälder in den Berghängen tausende Meter höher. Zwei Tage radeln wir gemeinsam mir einem lustigen Venezolaner (siehe getroffene Radler) und gemeinsam überqueren wir den Äquator – für uns nach Afrika das zweite Mal am Landweg. Seit der Grenze sehen wir nun merklich mehr indigene Bevölkerung. Sie traegt Tracht, Hut und wenn es morgens kalt ist Ponchos. Wenn wir in Dörfern stehen bleiben und verschnaufen sind wir umringt von Schaulustigen, die sich die beiden schwitzenden Weissnasen am Fahrrad nicht entgehen lassen wollen. Über eine steile, kleine Strasse, die genau so gut in ein griechisches Bergdorf führen könnte,  kommen wir vom Osten nach Quito, wo wir von unseren Freunden Anita, Leon und deren Familie bereits erwartet werden. Es tut gut nach den vielen langen Bergetappen der letzten Wochen die Räder für ein paar Tage ruhen zu lassen. Wir genießen den Flair der Großstadt und steigen auf den Vulkan Pichincha, den Hausberg Quitos...

 

  

 

  

 

 

 

 

 

  

 

  

 

 

 

 

 

 

 

  

 

  

 


05.04.2010, Medellin (Kolumbien): Früh morgens rollen wir aus Cartagena hinaus. Zum ersten Mal seit vielen Monaten ist es wirklich flach und kein Gegenwind trübt das Fahrvergnügen. Wir fahren in einem unserer längsten Tage (siehe Fahrzeit unter Superlative) 170 Kilometer bis in den Küstenort Tolú, wo wir ein letztes Mal die Karibik sehen. Drei weitere Tage radeln wir durch das mittlerweile leicht hügelige Tiefland Kolumbiens. Es ist extrem heiß uns schwül und plötzliche heftige Regengüsse bringen angenehme Abkühlung. Die Menschen sind freundlich und es wird gelächelt, gewunken und "Gute Fahrt" gewünscht. Wir fühlen uns bisher auf unserer Fahrt durch Kolumbien in keinster Weise unsicher oder gefährdet. Die Probleme mit Entführungen durch Guerillas oder Drogenbanden scheinen an den Hauptrouten unter Kontrolle zu sein und sogar nachts sind LKWs, Busse und private Autos unterwegs. Allerdings gibt es jede Menge Militär- und Polizei-Checkpoints. Wir haben die Vermutung, dass die Soldaten in ihrer Wehrzeit gratis telefonieren dürfen. Es ist unglaublich bei wie vielen Sperren die Soldaten am SMS tippen oder beim Telefonieren sind :-) Jetzt kommen wir in die Berge und die Strasse beginnt sich ab Puerto Valdivia wie eine Schlange in die Hügel zu ziehen. An einem einzigen Tag fahren wir über 2400 Höhenmeter. Es geht so gut wie nur bergauf und wir erreichen einen unserer schlechtesten Tagesschnitte (siehe Superlative). Oben in Yarumal ist es angenehm kühl, der Schweißfluss der vergangenen Monate hat endlich ein Ende gefunden! Es ist ein Genuss Socken und Fleece anzuziehen und wir genießen die Nacht unter der Decke. Hügelig und mit vielen Höhenmetern geht es durch wunderschöne Landschaft weiter, bis wir Medellin, die zweitgrößte Stadt Kolumbiens erreichen. Unwahrscheinlich wie viele Rennradfahrer uns hier entgegen kommen bzw. überholen. Radfahren ist in Kolumbien der absolute Volkssport und hat einen sehr hohen Stellenwert in der Gesellschaft. Wir werden vom Radler Alejo herzlich in sein Haus aufgenommen und verbringen mit ihm und seiner Freundin Mildred schöne, gemütliche Regentage in und um Medellin – die Regenzeit hat begonnen.

 

  

 

 

 

 

 

  

 

 

 

 

 

  

 

 

 


22.03.2010, Cartagene (Kolumbien): Wir verlassen Granada und in einem langen Tag mit viel Seiten- und Gegenwind strampeln wir über die Grenze nach Costa Rica, wo wir im kleinen, freundlichen Ort La Cruz übernachten. In der Nacht wird der Wind immer stärker, das "solide" gebaute Hotel wackelt und das Wellblechdach scheppert uns eines. Als wir am nächsten Morgen vor unserer Unterkunft stehen, denken wir erst, dass es unmöglich ist zu fahren, da uns der Wind fast aus den Sandalen bläst. Wir fahren trotzdem. Für die nächsten Tage ist der Wind extrem (Seiten- und Gegenwind) und wir ändern deshalb sogar unsere Route und radeln über die Nicoya-Halbinsel, was wir wirklich empfehlen können. Kleine Strassen, wenig Verkehr, freundliche hügelige Landschaft, fincas (Farmen) und ländliche kleine Orte. Mit einer uralten rostigen Fähre schippern wir zurück ans Festland – wenigstens nur eine kurze Überfahrt und wir hätten wahrscheinlich an Land schwimmen können, falls der Kutter abgesoffen wäre. Der Wind hat sich mittlerweile einigermaßen beruhigt und bläst teilweise sogar wieder aus der "normalen" Nordwest-Richtung. Wir wählen die Route entlang der Pazifikküste durch dschungelartige Vegetation, Zuckerrohr- und Ölpalmen-Plantagen. Es ist eine sehr ländliche Gegend, in der tausende pensionierte Amerikaner und Europäer Häuser besitzen. "Haus / Grundstück / Land zu verkaufen" –Schilder gibt es überall. Es scheint, die Costa Ricaner (kurz Ticas genannt) versuchen so viel wir möglich aus ihren Land heraus zu holen – Verkauf an finanzkräftige Westler ist offensichtlich der lukrativste Weg in eine bessere Zukunft? Unser Reiseführer beschreibt Costa Rica als den "tropischen Hintergarten der Gringos". Und es stimmt - zumindest für die Pazifikküste. Alles was Geld bringt ist im Besitz von Gringos. Auf jedem hübschen Grundstück eine Gringo-Villa. Supermärkte verkaufen was Gringos gerne haben, von Erdnussbutter bis zum Pfannkuchenmix. Burgers, Hot-dogs, Coca Cola und aus den USA importierte Äpfel. Die Küste hat ihren eigenen Flair und ihre eigene Schönheit, kein Zweifel daran, aber es laufen hier bei weitem zu viele Weißnasen herum. Costa Rica ist um vieles mehr entwickelt als alle anderen Länder Zentralamerikas die wir bisher besucht haben (mit Ausnahme von Mexiko). Häuser sind größer und schöner. Es gibt viel mehr Autos, die alle neuer, sauberer und größer sind. Viel weniger Armut sticht ins Auge und das Land ist sicher. Kein Stacheldraht und keine Mauern mehr um Häuser und keine bewaffnete Privatpolizei an Supermarkt-Eingängen. Aber leider sind die Strassen bei weitem nicht so gut wie wir sie erwartet hatten. Sie sind klein und kaum eine der Strassen auf denen wir uns bewegen hat einen Seitenstreifen. Das nervt! Es ist unwahrscheinlich schwül und wir schwitzen kontinuierlich Tag und Nacht und Nacht und Tag. Wenn wir über Hügel strampeln sind wir fast am "Eingehen" und träumen nur noch von einem Leben in der Tiefkühltruhe. Wir stoppen am Surferstrand von Jaco, und das erste Mal nach tausenden Kilometern (mehr oder weniger) entlang der Pazifikküste machen wir es – wir springen ins Wasser! Es ist naß und salzig. Was für ein Erlebnis! Um über die Grenze nach Panama zu kommen, müssen wir tief in die Trickkiste für Weltreisende greifen. Wir wissen, dass wir ohne das Vorlegen eines Ausreisetickets nicht nach Panama einreisen dürfen und von den Beamten zurück geschickt werden. Eine Möglichkeit ist es, für 25U$ ein Busticket zurück nach Panama zu kaufen und das vor zu legen. Das ist natürlich Geld für die Fische und kommt für uns nicht in Frage. Gleich neben den Grenzbalken gibt es ein Internetcafe. Wir springen hinein, basteln uns ein Flugticket (E-tickets sind eine phantastische Erfindung :-), drucken das Word-Dokument aus und falten es ein paar mal, damit es schon ein bisschen mitgereist aussieht. So vorbereitet begeben wir uns zur Grenze. Der Herr hinter dem Schalter kontrolliert mit geschultem Blick unser Ticket (zumindest die Namen) und ohne weitere Fragen stempelt er unsere Pässe und wir sind in Panama! Wie Costa Rica, so ist auch Panama ein relativ reiches Land und es ändert sich für uns nicht viel. Supermärkte haben unsere geliebten Bauernmärkte schon in Costa Rica ersetzt, die Städte versprühen ein Gefühl von Sicherheit, aber etwas ist seltsam: fast alle kleinen Lebensmittelgeschäfte in die wir stolpern werden von extrem unfreundlichen Chinesen-Familien geführt. Wir treffen zwei andere Radler, Stefan und Gareth (siehe getroffene Radler) und radeln für zwei Tage gemeinsam. Mit ihnen übernachten wir bei einem netten Couchsurfing-Kontakt in Davis und bei der Katholischen Mission in Tolé, und erleben den ersten Regen seit Monaten. Gareths Rad macht jeden Tag mehr und mehr Probleme und braucht einen Doktor. Wir fahren voraus und nach dreieinhalb Tagen durch das ländliche Panama erreichen wir Panama Stadt. Wir rollen durch Slums und schäbige Wohngebiete und auf einmal sind wir in der neuen modernen Innenstadt. Hochhäuser recken sich der Sonne entgegen, Mercedes und BMWs in den Straßen und mit den Boutiquen und Fast-Food-Restaurants wirkt die Stadt wie ein Versuch einer Imitation von Miami oder Singapore. Fast einen ganzen Tag verbringen wir bei den Miraflores Schleusen nördlich der Stadt, wo kleine Yachten und riesige Containerschiffe mit bis zu 4.000 Containern an Bord durch den Panama Kanal geschleust werden. Sehr beeindruckend!

 

In Panama City müssen wir eine Entscheidung treffen. Zwischen Panama und Kolumbien gibt es keine Strasse. Der so genante "Darien Gap" ist ein sumpfiges unzugängliches Dschungelgebiet zwischen den beiden Ländern. Aufgrund von Guerilla-Aktivitäten und jeder Menge Drogenschmuggels, ist dies eine extrem gefährliche Gegend und von Reisen in dieses Gebiet wird strikt abgeraten. Und wenn man nicht von Drogenbanden und Guerillaeinheiten gekidnappt, vergewaltigt oder getötet wird, dann sieht ein "Radausflug" durch den "Darien Gap" so aus wie der von Ian Hibell, der es in den 70er Jahren schaffte, sich und sein Rad durch das Dickicht zu zerren - siehe . Ja, es gibt ein paar Leute, die sich und ihr Fahrzeug mit viel Glück quer durch den Dschungel gebracht haben. Wir sind davon überzeugt, dass wir Abenteuern nicht aus dem Weg gehen, aber wir sind nicht lebensmüde! Es ist also für uns keine Option zu versuchen, über Land nach Kolumbien zu gelangen. Eine andere Möglichkeit ist es, von einem der kleinen offenen Handelsboote, die der Küste entlang fahren, mitgenommen zu werden. Wir haben von Leuten gehört, die mit solchen Schiffen übergesetzt haben. Aber es ist nicht einfach irgendwo in einem kleinen Hafen an der Karibikküste einen Kapitän zu finden, der einen mitnimmt bzw. dem man selbst auch vertraut. Diese kleinen Boote schmuggeln oft Waren in beide Richtungen. Fernseher und andere Elektrogeräte nach Kolumbien und Kokain nach Panama. Wir haben einige Berichte von Reisenden gelesen, die auf diese Weise übergesetzt haben, und alle waren auf Schmugglerboote geraten. Auch das ist nicht unser bevorzugter Weg nach Kolumbien zu gelangen. Aber es gibt noch zwei weitere Arten von Panama nach Kolumbien zu gelangen. Fliegen oder auf einer privaten Yacht als bezahlter Passagier mitfahren. Diese Schiffe sind in der Regel unter amerikanischer oder europäischer Flagge und die Besitzer bieten Backpacker-Trips zwischen den beiden Kontinenten an, um ihr Budget auf zu bessern. Wir haben schon lange eine Kabine auf einem großen Segelboot (Stahlratte) mit sehr guten Kritiken reserviert, haben es aber im Endeffekt nicht erwischt. Zwei weitere Boote wurden uns empfohlen, aber beide passten nicht in unseren Zeitplan. Diese Überfahrten kosten richtig Geld und es werden etliche Geschichten von unzufriedenen Reisenden erzählt: zu volle Schiffe und die Gäste müssen an Deck schlafen, schlechtes Essen, betrunkene Kapitäne im Sturm und Kapitäne die nur Geld verdienen und keine gelungene Fahrt liefern wollen. Und im Durchschnitt sinken jedes Jahr zwei kleine Yachten mit Passagieren an Bord aufgrund von Kapitänsfehlern! Daher wollen wir mit einem Segler übersetzen, der gute Kritiken hat. Fast einen ganzen Tag hängen wir uns ins Internet, auf der Suche nach weiteren Möglichkeiten, finden aber nichts Brauchbares. Wir waren uns eigentlich immer sicher, dass wir über den Seeweg nach Kolumbien reisen werden, aber je mehr wir im Internet stöbern, desto mehr kommen wir zu dem Entschluss, dass diese Touren eigentlich gar nicht unser Ding sind. Es ist ein Touristentrip in einer Gruppe, man stoppt auf den San Blass Inseln wo man Fotos von armen Kindern die nach Kugelschreiber betteln und Frauen oben ohne, die ihre Säuglinge stillen, machen kann. Weißer Sand, Palmen, Sonnenbaden, "Chillen und Grillen", und es wird mit dem  klassischen Backpacker-Fängerwort geworben: es wird richtig FUN! Hm, vielleicht war es ja ganz gut, dass wir kein passendes Boot für uns gefunden haben, wer weiß. Und außerdem ist es um diese Jahreszeit in der Karibik sehr windig, also besteht durchaus die Möglichkeit, dass die Seekrankheit zu einer absoluten FUN-Bremse werden kann. Wir schauen uns also nach Flügen um, und verglichen mit den Bootstouren ist Fliegen extrem billig. Wir buchen und fliegen, sparen Geld, Zeit und bleiben die Individualreisenden, die wir sind. Nach nur einer Stunde landet unsere kleine Propellermaschine in Cartagena, Kolumbien. Die Einreise ist unproblematisch und wir befinden uns auf einem neuen Kontinent :-) Cartagena ist eine hübsche Stadt und wir spazieren durch die engen Gassen, bestaunen die schönen Kolonialbauten und bereiten uns auf die ersten Kilometer in Südamerika vor...