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--- News und Berichte ---
Nr.X: Mittelamerika
07.11.2009 (Mexiko) bis 22.03.2010 (Panama)
22.03.2010, Cartagene (Kolumbien): Wir verlassen Granada und in einem langen Tag mit viel Seiten- und Gegenwind strampeln wir über die Grenze nach Costa Rica, wo wir im kleinen, freundlichen Ort La Cruz übernachten. In der Nacht wird der Wind immer stärker, das "solide" gebaute Hotel wackelt und das Wellblechdach scheppert uns eines. Als wir am nächsten Morgen vor unserer Unterkunft stehen, denken wir erst, dass es unmöglich ist zu fahren, da uns der Wind fast aus den Sandalen bläst. Wir fahren trotzdem. Für die nächsten Tage ist der Wind extrem (Seiten- und Gegenwind) und wir ändern deshalb sogar unsere Route und radeln über die Nicoya-Halbinsel, was wir wirklich empfehlen können. Kleine Strassen, wenig Verkehr, freundliche hügelige Landschaft, fincas (Farmen) und ländliche kleine Orte. Mit einer uralten rostigen Fähre schippern wir zurück ans Festland – wenigstens nur eine kurze Überfahrt und wir hätten wahrscheinlich an Land schwimmen können, falls der Kutter abgesoffen wäre. Der Wind hat sich mittlerweile einigermaßen beruhigt und bläst teilweise sogar wieder aus der "normalen" Nordwest-Richtung. Wir wählen die Route entlang der Pazifikküste durch dschungelartige Vegetation, Zuckerrohr- und Ölpalmen-Plantagen. Es ist eine sehr ländliche Gegend, in der tausende pensionierte Amerikaner und Europäer Häuser besitzen. "Haus / Grundstück / Land zu verkaufen" –Schilder gibt es überall. Es scheint, die Costa Ricaner (kurz Ticas genannt) versuchen so viel wir möglich aus ihren Land heraus zu holen – Verkauf an finanzkräftige Westler ist offensichtlich der lukrativste Weg in eine bessere Zukunft? Unser Reiseführer beschreibt Costa Rica als den "tropischen Hintergarten der Gringos". Und es stimmt - zumindest für die Pazifikküste. Alles was Geld bringt ist im Besitz von Gringos. Auf jedem hübschen Grundstück eine Gringo-Villa. Supermärkte verkaufen was Gringos gerne haben, von Erdnussbutter bis zum Pfannkuchenmix. Burgers, Hot-dogs, Coca Cola und aus den USA importierte Äpfel. Die Küste hat ihren eigenen Flair und ihre eigene Schönheit, kein Zweifel daran, aber es laufen hier bei weitem zu viele Weißnasen herum. Costa Rica ist um vieles mehr entwickelt als alle anderen Länder Zentralamerikas die wir bisher besucht haben (mit Ausnahme von Mexiko). Häuser sind größer und schöner. Es gibt viel mehr Autos, die alle neuer, sauberer und größer sind. Viel weniger Armut sticht ins Auge und das Land ist sicher. Kein Stacheldraht und keine Mauern mehr um Häuser und keine bewaffnete Privatpolizei an Supermarkt-Eingängen. Aber leider sind die Strassen bei weitem nicht so gut wie wir sie erwartet hatten. Sie sind klein und kaum eine der Strassen auf denen wir uns bewegen hat einen Seitenstreifen. Das nervt! Es ist unwahrscheinlich schwül und wir schwitzen kontinuierlich Tag und Nacht und Nacht und Tag. Wenn wir über Hügel strampeln sind wir fast am "Eingehen" und träumen nur noch von einem Leben in der Tiefkühltruhe. Wir stoppen am Surferstrand von Jaco, und das erste Mal nach tausenden Kilometern (mehr oder weniger) entlang der Pazifikküste machen wir es – wir springen ins Wasser! Es ist naß und salzig. Was für ein Erlebnis! Um über die Grenze nach Panama zu kommen, müssen wir tief in die Trickkiste für Weltreisende greifen. Wir wissen, dass wir ohne das Vorlegen eines Ausreisetickets nicht nach Panama einreisen dürfen und von den Beamten zurück geschickt werden. Eine Möglichkeit ist es, für 25U$ ein Busticket zurück nach Panama zu kaufen und das vor zu legen. Das ist natürlich Geld für die Fische und kommt für uns nicht in Frage. Gleich neben den Grenzbalken gibt es ein Internetcafe. Wir springen hinein, basteln uns ein Flugticket (E-tickets sind eine phantastische Erfindung :-), drucken das Word-Dokument aus und falten es ein paar mal, damit es schon ein bisschen mitgereist aussieht. So vorbereitet begeben wir uns zur Grenze. Der Herr hinter dem Schalter kontrolliert mit geschultem Blick unser Ticket (zumindest die Namen) und ohne weitere Fragen stempelt er unsere Pässe und wir sind in Panama! Wie Costa Rica, so ist auch Panama ein relativ reiches Land und es ändert sich für uns nicht viel. Supermärkte haben unsere geliebten Bauernmärkte schon in Costa Rica ersetzt, die Städte versprühen ein Gefühl von Sicherheit, aber etwas ist seltsam: fast alle kleinen Lebensmittelgeschäfte in die wir stolpern werden von extrem unfreundlichen Chinesen-Familien geführt. Wir treffen zwei andere Radler, Stefan und Gareth (siehe getroffene Radler) und radeln für zwei Tage gemeinsam. Mit ihnen übernachten wir bei einem netten Couchsurfing-Kontakt in Davis und bei der Katholischen Mission in Tolé, und erleben den ersten Regen seit Monaten. Gareths Rad macht jeden Tag mehr und mehr Probleme und braucht einen Doktor. Wir fahren voraus und nach dreieinhalb Tagen durch das ländliche Panama erreichen wir Panama Stadt. Wir rollen durch Slums und schäbige Wohngebiete und auf einmal sind wir in der neuen modernen Innenstadt. Hochhäuser recken sich der Sonne entgegen, Mercedes und BMWs in den Straßen und mit den Boutiquen und Fast-Food-Restaurants wirkt die Stadt wie ein Versuch einer Imitation von Miami oder Singapore. Fast einen ganzen Tag verbringen wir bei den Miraflores Schleusen nördlich der Stadt, wo kleine Yachten und riesige Containerschiffe mit bis zu 4.000 Containern an Bord durch den Panama Kanal geschleust werden. Sehr beeindruckend!
In Panama City müssen wir eine Entscheidung treffen. Zwischen Panama und Kolumbien gibt es keine Strasse. Der so genante "Darien Gap" ist ein sumpfiges unzugängliches Dschungelgebiet zwischen den beiden Ländern. Aufgrund von Guerilla-Aktivitäten und jeder Menge Drogenschmuggels, ist dies eine extrem gefährliche Gegend und von Reisen in dieses Gebiet wird strikt abgeraten. Und wenn man nicht von Drogenbanden und Guerillaeinheiten gekidnappt, vergewaltigt oder getötet wird, dann sieht ein "Radausflug" durch den "Darien Gap" so aus wie der von Ian Hibell, der es in den 70er Jahren schaffte, sich und sein Rad durch das Dickicht zu zerren - siehe . Ja, es gibt ein paar Leute, die sich und ihr Fahrzeug mit viel Glück quer durch den Dschungel gebracht haben. Wir sind davon überzeugt, dass wir Abenteuern nicht aus dem Weg gehen, aber wir sind nicht lebensmüde! Es ist also für uns keine Option zu versuchen, über Land nach Kolumbien zu gelangen. Eine andere Möglichkeit ist es, von einem der kleinen offenen Handelsboote, die der Küste entlang fahren, mitgenommen zu werden. Wir haben von Leuten gehört, die mit solchen Schiffen übergesetzt haben. Aber es ist nicht einfach irgendwo in einem kleinen Hafen an der Karibikküste einen Kapitän zu finden, der einen mitnimmt bzw. dem man selbst auch vertraut. Diese kleinen Boote schmuggeln oft Waren in beide Richtungen. Fernseher und andere Elektrogeräte nach Kolumbien und Kokain nach Panama. Wir haben einige Berichte von Reisenden gelesen, die auf diese Weise übergesetzt haben, und alle waren auf Schmugglerboote geraten. Auch das ist nicht unser bevorzugter Weg nach Kolumbien zu gelangen. Aber es gibt noch zwei weitere Arten von Panama nach Kolumbien zu gelangen. Fliegen oder auf einer privaten Yacht als bezahlter Passagier mitfahren. Diese Schiffe sind in der Regel unter amerikanischer oder europäischer Flagge und die Besitzer bieten Backpacker-Trips zwischen den beiden Kontinenten an, um ihr Budget auf zu bessern. Wir haben schon lange eine Kabine auf einem großen Segelboot (Stahlratte) mit sehr guten Kritiken reserviert, haben es aber im Endeffekt nicht erwischt. Zwei weitere Boote wurden uns empfohlen, aber beide passten nicht in unseren Zeitplan. Diese Überfahrten kosten richtig Geld und es werden etliche Geschichten von unzufriedenen Reisenden erzählt: zu volle Schiffe und die Gäste müssen an Deck schlafen, schlechtes Essen, betrunkene Kapitäne im Sturm und Kapitäne die nur Geld verdienen und keine gelungene Fahrt liefern wollen. Und im Durchschnitt sinken jedes Jahr zwei kleine Yachten mit Passagieren an Bord aufgrund von Kapitänsfehlern! Daher wollen wir mit einem Segler übersetzen, der gute Kritiken hat. Fast einen ganzen Tag hängen wir uns ins Internet, auf der Suche nach weiteren Möglichkeiten, finden aber nichts Brauchbares. Wir waren uns eigentlich immer sicher, dass wir über den Seeweg nach Kolumbien reisen werden, aber je mehr wir im Internet stöbern, desto mehr kommen wir zu dem Entschluss, dass diese Touren eigentlich gar nicht unser Ding sind. Es ist ein Touristentrip in einer Gruppe, man stoppt auf den San Blass Inseln wo man Fotos von armen Kindern die nach Kugelschreiber betteln und Frauen oben ohne, die ihre Säuglinge stillen, machen kann. Weißer Sand, Palmen, Sonnenbaden, "Chillen und Grillen", und es wird mit dem klassischen Backpacker-Fängerwort geworben: es wird richtig FUN! Hm, vielleicht war es ja ganz gut, dass wir kein passendes Boot für uns gefunden haben, wer weiß. Und außerdem ist es um diese Jahreszeit in der Karibik sehr windig, also besteht durchaus die Möglichkeit, dass die Seekrankheit zu einer absoluten FUN-Bremse werden kann. Wir schauen uns also nach Flügen um, und verglichen mit den Bootstouren ist Fliegen extrem billig. Wir buchen und fliegen, sparen Geld, Zeit und bleiben die Individualreisenden, die wir sind. Nach nur einer Stunde landet unsere kleine Propellermaschine in Cartagena, Kolumbien. Die Einreise ist unproblematisch und wir befinden uns auf einem neuen Kontinent :-) Cartagena ist eine hübsche Stadt und wir spazieren durch die engen Gassen, bestaunen die schönen Kolonialbauten und bereiten uns auf die ersten Kilometer in Südamerika vor...
04.03.2010, Granada (Nicaragua): Nach angenehmen erholsamen Tagen zu Gast bei Robert in Guatemala Stadt ist es an der Zeit, die Gäule zu satteln und aufzubrechen. Hinaus aus der Stadt und gleich einen lang gezogenen Hügel hinauf. Die Straße ist in den Hang gemeißelt und die Luft ist zum Schneiden dick und schwarz von den Abgasen der LKWs und Busse. Nachdem jedoch Sonntag ist, trainieren hier hunderte Rennradfahrer und feuern uns – während sie überholen - an. Später, weiter im Hinterland, wo auch die Luft wieder besser ist und wir gerade Annanas bei einem Straßenstand speisen, rast eine große Gruppe von Rennradfahrern an uns vorbei – jetzt feuern wir an J. Über eine kaum befahrene Straße, durch einsame Dörfer und über hunderte Hügel kurven wir vom Hochland in die Küstenebene Guatemalas. Mit einem Mal sind wir in tropischem Klima. Heiß und schwül! Die Vegetation ist üppig und vor allem Zuckerrohr wird hier angebaut. Palm- und Mangobäume wachsen neben der Straße und wir fahren durch viele schattige aber stickige Alleen. Hier trägt man jetzt nicht nur Hut und Stiefel sondern kostet das Wildwest Image voll aus und steckt sich zusätzlich noch einen Revolver in den Gürtel oder schultert eine Pumpgun, wenn man spazieren geht! Das ist ziemlich gewöhnungsbedürftig und zu gerne hätten wir einen der Waffenbrüder gefragt, ob sie sich abends noch was zum Essen schießen wollen oder mit einer Schießerei nach dem siebenten Bier in der Bar rechnen? Problemlos queren wir die Grenze nach El Salvador. Ein Land in dem die Kriminalität extrem hoch ist - es passieren im Durchschnitt zehn Morde pro Tag und Banden geben den Ton an – nicht die Polizei. Die Menschen wirken uns gegenüber viel skeptischer als in den Ländern zuvor und die Armut (vor allem am Land) schreit zum Himmel. Überall sehen wir Hütten aus Müll (Plastikplanen, Holz, Wellblech, Karton) in denen ganze Familien wahrscheinlich ihr gesamtes Leben verbringen. Sehr wenig motorisierter Verkehr ist unterwegs und es gibt nur miese teure Unterkünfte. Waffen wo man hinschaut: Bewaffnete Sicherheitskräfte vor kleinen Geschäften, auf Parkplätzen und an Kreuzungen. Eine typische Situation für El Salvador: wir sehen einen Kleinbus, der Klorollen zu Straßenstandeln liefert, von einem schwer bewaffneten Wächter bewacht – unglaublich aber wahr - wahrscheinlich würde ein Klorollenräuber sofort erschossen werden. Vor jedem Fenster und jeder Tür Gitter, um jedes Haus eine Mauer, gespickt mit Rasierklingenzaun. Das alles wirkt irgendwie bedrohlich und auch wenn wir nie Probleme hatten und uns an sich nie gefährdet gefühlt haben ist es doch nicht unser Lieblingsland. In El Salvador kommen wir seit langem wieder an die Pazifikküste und tauchen die Füße ins Wasser. Sonst hat das Land von der touristischen Seite gesehen für uns wenig zu bieten und wir reisen rasch nach Honduras weiter. In Honduras verbringen wir nur eine Nacht und zwei halbe Radtage. Ein Dorf reiht sich an das andere und hysterisch schreit es von überall her "Gringo! Gringo!" Kinder laufen wie von Hornissen verfolgt an die Straßen. Männer pfeifen (wahrscheinlich wegen Philipp?) und Unverständliches wird uns hinterher gerufen, was alle zu ungehemmten Lachausbrüchen bringt und uns dazu, weniger zu grüssen und zu winken. Die Bezeichnung "Gringo" kommt eigentlich von "green go home", was die Mexikaner im mexikanisch-amerikanischen Krieg (1846-1848) den amerikanischen Truppen nachgerufen haben. Heute ist "Gringo" eigentlich die Bezeichnung für einen US-Amerikaner, aber wer weiß schon genau wo wir her kommen – vor allem wenn wir so grün hinter den Ohren sind. Wir treffen auf diesem Abschnitt mehrmals andere Radler – den Verrücktesten, den Mechaniker und unsere zweite Solo-Radlerin (siehe getroffene Radler). Es tut gut, über der Grenze in Nicaragua zu sein. Das Land ist arm wie alle anderen in dieser Ecke der Welt auch, aber es scheint doch um einiges sicherer zu sein. Wir sehen viel weniger Mauern, Rasierklingenzaun, Sicherheitskräfte und Waffen. Die Menschen sind nicht mehr hysterisch, wenn wir durch Dörfer rollen, sondern winken oder verhalten sich gleichgültig. Wir stoppen in der netten Stadt León, wo wir seit langen erstmals wieder in einer Masse von Touristen untertauchen. Entlang einer Reihe von Vulkanen radeln wir unserem nächsten Stopp entgegen. Managua, eine der (angeblich) gefährlichsten Städte der Welt, wo wir ein schönes Erlebnis mit Einheimischen haben. Unsere mexikanischen Freunde aus León (Mexiko) haben uns den Priester Arnaldo "vermittelt", der uns eine Gastfamilie organisiert hat. In einer Gegend, in die man sich als Weißnase wohl nicht hinein trauen würde. Enge Gassen, teilweise unbefestigt, ein vergitterter Hauseingang neben dem anderen. Weit entfernt von Luxus und Wohlstand, aber auch kein Slum, sondern es handelt sich um die Wohnviertel der hiesigen "Mittelschicht". Unsere achtköpfige Gastfamilie wohnt auf einem kleinen Grundstück auf das ein Raum-an-Raum-Häuschen gebaut und das klassisch mit Wellblech gedeckt ist. Waschplatz und Klo in einer Ecke des Hofes, die Küche und der offene Wohnbereich in der Mitte und gegen die Strasse hin gibt es zwei Reihen Gitter. Der Fernseher scheint auch hier wichtig zu sein, er läuft ständig, sonst gibt es wenig Luxusartikel. Mit Händen, Füssen und unserem sehr bescheidenen Spanisch plaudern wir den ganzen Abend, fühlen uns geborgen und gut aufgehoben J. Dieser Stadtteil Managuas heißt übrigens "Villa Austria". Nicht weil der alpine Baustil übernommen wurde, sondern weil Österreich hier für den Aufbau der Infrastruktur (Kanal, Wasser, Strom,...) verantwortlich ist. Es gibt auch eine Schule in dieser Gegend, die "Ottakring" (ein Stadtteil Wiens) heißt! Interessant war es auch, die Innenstadt Managuas zu sehen. Ein Erdbeben hat 1972 fast die gesamte Altstadt zerstört und sie ist nicht wieder aufgebaut worden. Leere Flächen, verloren rumstehende Regierungsgebäude, ausgedehnte Slums und leere Straßen. Schockierend und faszinierend zu gleich! Von Managua ist es nur ein halber Tag gegen den Wind (der in Mittelamerika an der Küste offensichtlich immer von Südosten – also von vorne – kommt) nach Granada. Wieder tauchen wir in ein "Gringo-Paradies" ein. Granada hat eine wunderschön hergerichtete Altstadt am Lago de Nicaragua zu bieten, in deren Kern es sich leider kaum ein Einheimischer mehr leisten kann, zu leben. Europäer und Amerikaner führen italienische Trattorias und irische Pubs in denen man mit US-Dollar europäische Preise bezahlen kann; Spanisch-Schulen überall und Wi-Fi-Internet in den Kaffeehäusern – was für ein "Segen", wir können unsere Webseite aktualisieren...
17.02.2010, Guatemala Stadt (Guatemala): In San Cristóbal de las Casas treffen wir Paul, einen PanAmerika-Radler, den wir vor Monaten in Oregon (USA) bereits kennen gelernt haben (siehe getroffene Radler) und unternehmen mit ihm und Niki einen Ausflug nach Chamula. Hier steht eine interessante Kirche: grundsätzlich katholisch, doch mischt sich der Naturglaube der Maya mit dem Christentum. Das Innere der Kirche ist mystisch, ohne Bänke, stattdessen mit Baumnadeln ausgelegt. Hunderte Kerzen brennen in Grüppchen aufgestellt am Boden. Die Luft ist rauchgeschwängert. Murmelnd sitzen die Gläubigen vor den Kerzen. Sie haben Opfergaben mitgebracht – Cola und andere Zuckergetränke. Von den Wänden aus betrachten Heiligenfiguren das seltsame Treiben. Außerdem bevölkern viele Touristen diese besondere Kirche. Da das Fotografieren zum Glück verboten ist, wird die Atmosphäre nicht allzu sehr gestört. Nach gemütlichen Tagen in San Cristóbal verlässt uns Niki nach einem Monat gemeinsamen Radelns – wir sind schon gespannt, wann und wo sie das nächste Mal zu uns stoßen wird? Paul fährt in Richtung Yukatan, und wir brechen in Richtung Guatemala auf. Es ist eine schöne Landstraße mit wenig Verkehr, die sich kurvenreich über zwei Tage hinunter zur Grenze schlängelt. Kurzzeitig befinden wir uns wieder in tropischem Klima und schwitzen in der schwülen Hitze. An der Grenze herrscht buntes Treiben. Es ist Markttag, deshalb ist die Straße voll mit lauter "Standeln", Verkäufern und Passanten und kaum befahrbar. Motorisierter Grenzverkehr ist beinahe null. Die Formalitäten sind im Nu erledigt, schon sind wir in Guatemala und die Straße beginnt sich durch eine tiefe Schlucht wieder in die Berge zu schlängeln. Kaffeeplantagen, Wald und kleine Dörfer "kleben" in den steilen Hängen. Die Guatemalteken wirken offener als die Menschen in Mexiko, wo man auf der Straße zwar sehr freundlich, dennoch reservierter uns gegenüber war. Nun wird gewunken, gegrüßt und beim Vorbeifahren "gute Fahrt" gerufen. Die Leute, auf die wir in den Dörfern treffen sind extrem freundlich und wir haben das Gefühl, hier gut aufgehoben zu sein. Man kann sich kaum vorstellen, dass wir uns in einem Land befinden, in dem Entführungen, Überfälle, Morde und Selbstjustiz zum Alltag gehören. Wieder im Hochland auf gut 2.000 Metern besuchen wir Caroline, eine ehemalige Studienkollegin, die in eine Mayafamilie eingeheiratet hat. Sie und ihr Mann Julio leben zwar in Österreich, sind aber jedes Jahr für zwei Monate hier im Dorf, wo seine Großfamilie (15 Leute) zu Hause ist. Die Verhältnisse sind sehr ärmlich. Lehmhäuser, Wellblechdächer, Plumpsklo, kein Fließwasser und kaum Einrichtung. Als wir auf unseren Drahteseln einreiten stürmen uns Kinder entgegen und winken mit selbst gebastelten Österreichfahnen. Wir werden herzlich in die Familie aufgenommen. Es ist spannend zu sehen wie Maya Familien heutzutage leben. Nach dem Versuch der Kulturzerstörung im Bürgerkrieg (1960 -1996), wollen viele heute zurück zu ihren Wurzeln und dem Naturglauben finden. Extra für uns wird eine Feuerzeremonie gemacht. In einer Tonschüssel werden Harze, Gewürze, Zucker, Hölzer und Kerzen aufeinander geschichtet und angezündet. Wir knien alle im Kreis ums Feuer, Gebete werden gemurmelt, heilige Stätten angerufen und im Feuer Antworten gelesen. Die Zeremonie ist auf Quiche, eine der über 20 alten Maya-Sprachen, die die Leute in den Dörfern noch immer als erste Sprache verwenden. Die Zeremonie ist ein interessantes Erlebnis für uns. Obwohl sich die Verhältnisse für die Maya seit dem Krieg definitiv gebessert haben, sind sie nach wie vor Menschen zweiter Klasse, die wenig Bildung bekommen und somit auch wenig Möglichkeiten haben, sich im Leben zu verbessern. Seit Jahren arbeiten Caroline und Julio daran, dem Dorf und seinen Menschen zu helfen. Vor zwei Jahren wurde mit Spendengeldern ein Fahrweg gebaut, hundert bedürftige Kinder bekamen dieses Jahr ein Schulstartpaket (Bücher, Hefte, Bleistifte,...), der Bach (verschmutzt und ohne Wasser) soll revitalisiert und Mülltonnen aufgestellt werden. Mehr zu Caroline und Julios Projekten und wie ihr sie unterstützen könnt findet ihr auf unserer Seite "Hilfe für...". Schweren Herzens verabschieden wir uns nach ein paar schönen Tagen wieder und rollen durchs Hügelland (unter anderem wieder über den knapp 3.000 Meter hohen Pass namens Alaska) zum See Atitlán, der wunderschön zwischen hohen Vulkanen liegt. Unser nächster Stopp ist Antigua, eine gemütliche, kleine Kolonialstadt. Der See Atitlán und Antigua sind zu unseren Tagen bei der Maya Familie völlig konträr. Hier herrscht Tourismus pur. Luxuriöse Hotels reihen sich an einfache Hospedajes und Restaurants an Bars und Kaffeehäuser. Hunderte Touristen in den Straßen, Bettler in den Ecken und Maya Frauen und Kinder, die den Touristen mit Halsketten und bunten Decken nachlaufen. Krass! Trotzdem haben beide Orte ihr spezielles Flair und wir treffen Caroline und Julio wieder, die nach viel Arbeit im Dorf mit uns ein bisschen Urlaub machen. Ein kurzer Tag am Fahrrad bringt uns nach Guatemala Stadt. Robert – ein Hatzendorfer, der mit Valeska ein paar Jahre lang im gleichen Schulbus fuhr – arbeitet an der Österreichischen Schule (Instituto Austriaco) und hat uns zu sich eingeladen. Er wohnt in einer schicken Gegend in einem großen Haus und wir genießen den Platz, die Ruhe und seine angenehme und lustige Gesellschaft. Er zeigt uns die Großstadt, wir schlendern durch die bunten Märkte und halten in der Österreichischen Schule einen Vortrag über unsere Reise. Caroline und Julio kommen ebenfalls in die Hauptstadt und gemeinsam mit ihnen und Robert feiern wir Valeskas Geburtstag mit Kernölsalat (wer es nicht kennt – es ist das Blut der Steirer! www.steirisches-kuerbiskernoel-gga.at) und Sachertorte (von einer Bäckerin aus Salzburg). Spektakulär ist der Geburtstagsausflug, der uns auf den Vulkan Pacaya bringt (einer der aktivsten Vulkane der Welt), wo wir neben glühenden Lavaströmen spazieren J
01.02.2010, San Cristobal de las Casas (Mexiko): In Mexiko Stadt dürfen wir die kälteste Periode (für diese Jahreszeit) seit 20 Jahren miterleben. Es regnet und regnet und wir sprinten (gehüllt in all unsere Kleidung) zwischen Kaffeehäusern, Museen und Kirchen hin und her. Wir bekommen Gesellschaft auf unserer Reise: Niki hat uns bereits vor ein paar Monaten von Vancouver nach Seattle begleitet und hat sich kurzfristig entschlossen, von Mexiko Stadt aus für einen Monat mit uns zu radeln. Aus Kanada kommend hat sie sich eigentlich Wärme und Sonnenschein erwartet, doch es bleibt vorerst regnerisch und kalt. Zu dritt starten wir von Toluca aus Richtung Osten. Hügel hinauf, Hügel hinunter fahren wir auf kleinen Strassen mit mäßigem Verkehr durchs Land. Klettern auf über
3.000 Meter und sausen frierend auf der anderen Seite wieder ins Tal. Über Malinalco, Cuernavaca und Cuautla kommen wir nach Puebla, wo wir bei starkem Regen einreiten. Es ist eine wunderschöne Kolonialstadt mit einem großem Plaza auf dem es vor Menschen nur so wimmelt. Überall schöne Häuser und einladende Gassen. Am Markt finden wir nicht nur Tomaten und halbe Schweine sondern auch Berge von gerösteten Heuschrecken und wanzenartige Insekten, die lebend im Weckerl verzehrt werden – wir haben es gesehen, es ist wirklich so! Hier treffen wir auch das deutsche Radlerpärchen Doro und Sven. Sie sind von Feuerland nach Alaska unterwegs und wir hatten schon länger per Email Kontakt mit ihnen. Es wird ein langer Abend mit jeder Menge Erfahrungs- und Tip-Austausch. Siehe getroffene Radler. In drei Tagen strampeln wir bei endlich schönem und warmem Wetter über unzählige mexikanische Hochlandhügel nach Oaxaca. Die Stadt ist ein weiteres Highlight auf unserer Fahrt durch Mexiko. Eine herrliche, gemütliche Altstadt, jede Menge wunderschöne Kirchen, ein riesiger Markt auf dem man von Obst und Gemüse bis zu Sandalen aus Autoreifen fast alles bekommt – Heuschrecken und Wanzen isst man hier offensichtlich nicht. Wir besuchen die beeindruckenden Ruinen und Pyramiden von Monte Alban und rollen weiter. Niki "passt perfekt" zu uns. Sie hat den selben Antrieb wie wir, will sehen, erleben und doch vorankommen. Auch vom Tempo passen wir alle gut zusammen und so strampeln wir einen Hügel nach dem anderen (oft) stundenlang bergauf, sausen auf der anderen Seite wieder hinunter, nur um den nächsten Hügel in Angriff zu nehmen. Das Land ist staubtrocken, plötzlich wachsen nun wieder Kakteen und stachelige Sträucher, die Orte sind klein und wir das Ereignis des Tages, wenn wir mit unseren Räder über den Dorfplatz rollen und nach einer Unterkunft fragen. Der Standard der Zimmer lässt nun zusehends nach, kaum ein Klo hat eine Brille auf der Muschel, die Betten sind alt und durchgelegen, und Kaugummi kleben in den Ecken. Die Bundesländer werden ärmer, Müll säumt die Strassen (vor allem im Staat Oaxaca), die Häuser werden zu Hütten und die Armut offensichtlich. Wir verlassen kurzzeitig das Hochland und sausen hinunter auf Meeresniveau an den Golf von Tehuantepec. Mit einem Schlag befinden wir uns in den Tropen. Alles ist grün, Palmen strecken sich der Sonne entgegen, es gibt wieder Ackerbau und es ist ungemütlich schwül. Hier befindet sich die engste Stelle Mexikos zwischen dem Golf von Mexiko (Atlantik) im Norden und dem Golf von Tehuantepec (Pazifik) im Süden. Es ist eine der (angeblich) windigsten Gegenden der Erde. Der böige Seitenwind bläst uns hier buchstäblich von der Strasse und treibt uns einen halben Tag lang beinahe in den Wahnsinn. Zum Glück dreht die Strasse langsam und bis zum Nachmittag fliegen wir mit Rückenwind voran. Wieder klettern wir in Richtung Hochländer. Unterwegs machen wir einen Bootsausflug in den Canyon del Sumidero National Park. Die steilen Felswände sind bis zu 900 Meter hoch und wir sehen Krokodile, Affen und Vögel. Nikis letzter Radtag mit uns ist nur 54 Kilometer lang. Doch auf diesen 54 Kilometern haben wir über 1800 Höhenmeter zu bewältigen. Es ist einer der fünf Tage mit den schlechtesten Tagesdurchschnitten der letzten drei Jahre Radfahren – siehe Superlative. Morgens starten wir in den Tropen und am Nachmittag befinden wir uns in einem feuchten, neblig-kalten Hochlandklima. Von starken Regenfällen vorangepeitscht erreichen wir klitschnass und erfroren San Cristobal de las Casas. Wieder mal ist es ausgesprochen kalt und regnerisch für diese Jahreszeit, deshalb nutzen wir die Tage in diesem malerischen Großdorf, um uns auf die Weiterfahrt durch Zentralamerika vorzubereiten...
07.01.2010, Mexiko Stadt (Mexiko): Die Tage bis Weihnachten verbringen wir mit unseren Gastgebern. León ist die Lederhauptstadt Mexikos und wir haben die Möglichkeit Gerbereien, Schuh- und Stiefelfabriken zu besuchen (Danke Herbert und Sissi!). Es ist interessant zu sehen, wie viele Arbeitsschritte es braucht bis aus einem schlabberigen Stück Fell ein Schuh entsteht. Bei den Stiefeln mussten wir zuschlagen und haben tüchtig eingekauft. Leider sind sie für richtige Gäule und nicht für Drahtesel geschustert und zum Mitnehmen zu schwer – sie werden per Flugzeug nach Europa kommen (Danke Monika!). Den 24.12. zelebrieren wir im Kreise unserer multikulturellen und großen Gastgeberfamilie. Morgens Philipps Geburtstag – Omi hat den Geburtstagskuchen gebacken - und abends Weihnachten. Es ist ein schönes Fest mit vielen Leuten und wir fühlen uns herzlich in die Familie aufgenommen. Umso schwerer fällt uns der Abschied, als wir am 26. wieder unsere Taschen packen und die Räder auf die Strasse schieben. Die ersten 13 Kilometer rollen wir auf einem Radweg (!) in Richtung Süden hinaus aus León. Zwei Tage fahren wir durch wenig spannende, recht flache trockene Landschaft bis es vor Morelia wieder hügelig wird und wir bei großen, spiegelglatten Seen vorbei kommen. Valeska hat sich eine Verkühlung eingefangen und Morelia wird für uns ein längerer Stopp als geplant. Die Stadt hat definitiv ihre schöne Seite mit einem ausgedehnten kolonialem Zentrum, mächtigen Kirchen und hübschen Plätzen. Andererseits ist sie extrem laut und stinkig. Der Verkehr rollt (besser: steht) überall, es gibt keine Fußgängerzonen und die Gehsteige sind eng und voll. Es ist Silvester und Valeska geht es wieder besser. Wir wollen am nächsten Tag endlich raus aus der Stadt und sind wahrscheinlich die einzigen, die Neujahr im wahrsten Sinne des Wortes verschlafen. Mit Ohropax in den Ohren geht Neujahr spurlos an uns vorbei. Sechs Uhr morgens (unsere übliche Zeit) sind wir am 01.01.2010 raus aus den Federn und rollen eine Stunde später durch menschenleere Strassen hinaus aus der Stadt. Wir fahren hinein in die Berge. Stundenlange Anstiege über hunderte Höhenmeter, sportliche Abfahrten und kaum Verkehr bietet die kurvenreiche Strasse, die den passenden Namen „Mil Cumbres“ (Tausend Kurven) trägt. Die Hänge sind grün und üppig bewachsen, Pinienwälder, Blumen, Gras. Vögel zwitschern, Bienen summen. Was für ein erholsamer Kontrast zu den Tagen davor. Von Zitacuaro aus unternehmen wir einen Ausflug zu den Monarch Schmetterlingen. Jedes Jahr überwintern Millionen von Schmetterlingen in den Hügeln (auf 3000 Metern Seehöhe) südwestlich von Mexiko Stadt. Es sind die Insekten, die die längste saisonale Wanderung unternehmen: von Kanada nach Mexiko und wieder zurück. Wir fahren zum El Rosario Schmetterlingsreservat. In Trauben hängen die Tiere in den hohen Nadelbäumen. Flugverkehr gibt es kaum, da es leider bewölkt und damit zu kalt ist (ein paar Grad über null). Die Massen an Schmetterlingen sind dennoch beeindruckend. Leider ist es kein Naturerlebnis wie wir es uns gewünscht haben: Es sind Ferien in Mexiko, dazu kommt, dass es gerade Wochenende ist, und außer uns sind sicherlich noch 2000 Leute hier, um den Insekten einen Besuch abzustatten. Das ist uns einfach zu viel! Auch die Souvenirmeile vom Parkplatz zum Reservat ist schlimmer als in jedem Schiort in den Alpen. Naja, trotzdem ein Erlebnis! Unser nächster Stopp ist der kleine Ort Valle de Bravo, den wir nach vielen Höhenmetern erreichen. Sehr touristisch, trotzdem wunderschön und die Atmosphäre ist gemütlich und verschlafen. Es gibt zwei Möglichkeiten um weiter nach Toluca zu gelangen und wir können nicht in Erfahrung bringen welche die bessere für uns ist, also entscheiden wir uns für die angeblich landschaftlich schönere Variante, die uns im Endeffekt auch zur Hauptstrasse führt. Wir sind im Nachhinein der Meinung es war ein Fehler, denn noch mehr bergauf, noch mehr Verkehr und eine noch schmälere Strasse hätte Variante II nicht sein können. Von 80 Kilometern fahren wir 50 bergauf und legen dabei 1700 Höhenmeter zurück. Die Strasse ist schmal und kurvenreich und der viele Verkehr fordert unsere permanente Konzentration. Es ist mühsam und gefährlich. Endlich geht es bergab und wir rollen in das Stadtzentrum von Toluca wo uns Magalie bereits erwartet. Bei ihr parken wir unsere Räder für die nächsten Tage und fahren mit dem Bus nach Mexiko Stadt. Wir wollen Mexikos Hauptstadt nicht missen, doch haben wir keine Lust uns einen Tag mit den Rädern durch den Verkehr zu wühlen, um ins Stadtzentrum zu gelangen. Ungefähr 22 Millionen Menschen sollen hier in der Stadt und ihrem Umkreis leben! Eine beeindruckende Zahl die eine ebenso unfassbare räumliche Ausdehnung der Stadt mit sich bringt. Im Süden der Metropole sind wir zu Gast bei Pfarrer Ralf und dürfen im Pfarrhof der deutschen Katholischen Kirche in Mexiko Stadt San Thomas Morus wohnen. Wir ziehen ein paar Tage durch die Großstadt, genießen ihren einzigartigen Flair, lassen die vielen verschiedenen Viertel, Monumentalbauten, Parks, Kirchen, Museen, Märkte auf uns wirken und besuchen Pfarrer Ralfs Gettesdienste :-)
20.12.2009, León (Mexiko): Viele private Yachten liegen an der Marina von La Paz und wir versuchen mehrere Tage lang eine Mitfahrgelegenheit über den Golf von Kalifornien nach Mazatlan zum mexikanischen Festland zu bekommen. Morgens sind wir am Funkgerät, geben unser Anliegen durch, plaudern danach beim Kaffeetreffen mit den Seglern. Wir bekommen Angebote, aber niemand setzt in absehbarer Zeit über. Letztendlich nehmen wir die überteuerte Fähre und sind am nächsten Morgen in Mazatlan. Wir beschließen, hinauf ins Hochland nach Durango zu fahren und kurz nach Mazatlan beginnt die Straße bereits zu steigen. Erster Tag: flach, flach, bergauf, bergauf, bergauf bis in einen sehr hübschen kleinen Ort mitten in den Bergen: Copala, wo wir die einzigen Gäste im einzigen Hotel sind. Zweiter Tag: bergauf, bergauf, bergauf, bergauf, bergauf bis wir nach über 6 Stunden Fahrzeit und nur 52 Kilometern das Dorf El Palmito erreichen. Einer der Tage mit den schlechtesten Durchschnittsgeschwindigkeiten – siehe Superlative. Dritter Tag: bergauf, leicht bergauf, bergauf, bergauf, endlich mal relativ flach und sogar mal bergab, bergauf, bergauf, bergab - und nach langer Fahrt erreichen wir El Salto auf 2.600 m, wo wir uns am Kaminfeuer in unserem Hotelzimmer (!) wärmen. Vierter Tag: bergauf, bergab, bergauf, bergab, bergab und durch einen irren Rückenwind angetrieben erreichen wir Durango. Von Mazatlan nach Durango waren es nur 320 Kilometer, doch hatten wir 5.500 Höhenmeter zu bewältigen. Es ist eine langsame und anstrengende Strecke, aber gleichzeitig auch eine wunderschöne und wir sind froh, die Strapazen auf uns genommen zu haben. Die Straße windet sich über die Hügel, schneidet in die Hänge und quetscht sich an Felswände – sie ist ein richtiges Kunstwerk. Dazu kommt grandiose Aussicht! Und je weiter wir in die Berge kommen, desto grüner und üppiger wird die Landschaft. In der Höhe ist es merklich kälter, morgens ist die Landschaft mit Reif überzogen und wir frieren auf den Rädern bis die Sonne am späteren Vormittag endlich Kraft bekommt. Zum ersten Mal seit langem regnet es und Nebelfetzen steigen gespenstisch aus den Tälern auf. Als wir endlich auf dem Hochland sind, bleibt es hügelig, doch vom Klima her wird es trockener. Die Pinienwälder werden von Kakteen, Joshua Bäumen und trockenem Grasland, auf dem Rinderzucht betrieben wird, abgelöst. In Durango stoppen wir für zwei Tage bei "Couchsurfern" (www.couchsurfing.org) und sind fasziniert von der wunderschönen Stadt. Große barocke Kirchen, eine traumhafte Altstadt und jede Menge Leben auf der Straße: gestylte Mädels, Stadtdamen mit Stöckelschuhen und eleganten Handtaschen, coole Jungs mit gegelten Haaren, Geschäftsleute mit Aktentaschen und Cowboys mit Hut, engen Hosen und spitzen Stiefeln. Wir sind fasziniert von der Atmosphäre und vor allem von der Weihnachtsbeleuchtung und -beschallung. Über viele Hügel, durch trockene Landschaft und kleine Orte mit großen Kathedralen kommen wir nach Zacatecas: bunte Häuser reihen sich an den Hügeln entlang, die Kirchendichte ist enorm und die Altstadt wunderschön restauriert. Es ist der 12. Dezember, der Tag der "Jungfrau Guadalupe", eine der Hauptheiligen Mexikos. Im ganzen Land pilgern die Menschen zu den Kirchen, die dieser Heiligen gewidmet sind. Es finden Prozessionen und Feiern statt. Wir wollen uns das nicht entgehen lassen und fahren in den Nachbarort mit Namen Guadalupe - zur Hauptkirche. Jahrmarktstimmung herrscht um die Kathedrale. Es gibt Souvenir- und Ramschstandel, Luftballonverkäufer und jede Menge "gesundes" Essen (Chips, Popcorn, frittierte Schweinehaut und Fleischberge auf Weißbrot – alles wird natürlich mit Chili-Sauce serviert). Tänzer drehen sich in roter Tracht zu Trommelmusik vor der Kirche im Kreis. Ein Gottesdienst jagt den anderen. Ein paar Pilger rutschen auf Knien zur Heiligen Messe. Auf der Straße kriecht eine Karawane von geschmückten LKWs, Bussen und Autos in Richtung Kirche. Mönche besprengen die Fahrzeuge mit Weihwasser und ein Pfarrer segnet sie. Jetzt sind sich alle sicher, dass ihnen bei zu hoher Geschwindigkeit in zu engen Kurven nichts mehr passieren kann. Wie sind froh per Fahrrad und nicht per Bus unterwegs zu sein und rollen weiter in Richtung Süden. In Aguascalientes kehren wir im Lukas Hostel ein und freunden uns mit den sympathischen Besitzer an, der uns als außergewöhnlichen Besuch auch gleich auf seine Webseite stellt (www.lukashostel.com) :-). Nach einem weiteren langen Tag erreichen wir den geographischen Mittelpunkt Mexikos, León, wo wir von Monika, Javier und ihrer großen mexikanisch-deutsch-österreichischen Familie bereits erwartet und herzlich empfangen werden. Ihr Zuhause ist für uns eine grüne Oase, in der wir uns zurücklehnen und entspannen dürfen. Wir sehen uns die Stadt an und schütteln dem Bürgermeister, der uns durch seine Amtsräume führt, die Hand. Mit Monika und Mika - aus Berlin (sie ist hier, um Spanisch zu lernen) – unternehmen wir einen Ausflug in die faszinierende Altstadt von Guanajuato. Die gesamte Stadt ist untertunnelt (alte Abwasserkanäle mit neuen Ein- und Ausfahrten) – hier rollt der Verkehr. Bunte Häuser "kleben" an den Hängen, wunderschöne Kirchen, enge Gassen, Theater und schattige Plazas mit edlen Restaurants. Wir erleben in León eine einmalige Gastfreundschaft, essen die ersten Weihnachtskekse seit vier Jahren (!!) und werden eingeladen, im Kreise der Großfamilie Weihnachten zu feiern J.
30.11.2009, El Centenario / La Paz (Mexico): Nach gemütlichen Tagen in Ensenada packen wir unsere Taschen und sind wieder am Weg nach Süden. Es ist viel zu viel Verkehr auf der schmalen Straße, die kaum Platz für zwei LKWs bietet und der Asphalt endet links und rechts in einer hohen Kante in Richtung Straßengräben. Es ist eine weniger körperlich als psychisch anstrengende Fahrt im Norden der Baja California. Permanent müssen wir aufpassen was um uns passiert und die Landschaft ist wenig ansprechend - hauptsächlich flach, trocken, grau und trostlos. Orte sind staubige Straßendörfer mit Lkw-Stop-Charakter, aber der Wind ist mit uns (Rückenwind) und schiebt uns voran. Als wir endlich bei San Rosario in die Berge abzweigen wird alles anders. Die Straße windet sich durch eine herrliche Hügel- und Felslandschaft. Wir rollen durch Felder aus Granitblöcken, unzählige Kakteenarten recken sich Richtung Sonne – die Vielfalt ist faszinierend und die Fülle unbeschreiblich. Der Verkehr hört fast zur Gänze auf, entlang der nächsten paar hundert Kilometer liegen kaum Orte (dafür sind sie meist ansprechender als zuvor), Wasser wird zur Mangelware und der Rückenwind wir zu einem kräftigen Seiten- und Gegenwind, der uns für ein paar Tage fast um den Genuss der grandiosen Landschaft bringt. Doch die Straße ändert letztendlich ihre Richtung und wir drehen uns wieder in den Wind. Landschaftlich bleibt die Baja bis auf ein relativ kurzes Stück um Guerrero Negro wunderschön. Berge und Hochplateaus. Kakteen und sternenklare Nächte. Wir schlafen in der Wüste, kommen in kleinen Motels in winzigen Orten unter und campen neben Raststätten (Gasthäuser für die Lkw-Fahrer). Einfallsreich ist die Namensgebung in diesem Teil der Welt und wir kommen durch Orte wie Rosarito, El Rosario, Rosario de Abajo, Rosarito (noch mal), Santa Rosalia und El Rosarito. Trotzdem bleibt Villa Jesus Maria (hier finden wir Herberge :-) unser Lieblingsortname auf der Baja! In San Ignacio, einer kleinen Oase im trockenen Hügelland stoppen wir für einen Tag, genießen den Schatten der Dattelpalmen, die verschlafene Gemütlichkeit des Dorfes und erleben die Feierlichkeiten zum "Tag der Mexikanischen Revolution". Am Dorfplatz präsentieren SchülerInnen Tänze, kleine Theaterstücke in denen es um die Revolution geht, Cowboys marschieren auf, die Hymne wird gesungen und in militantem Ton auf die Fahne geschworen. Sehr interessant, doch erschreckend patriotisch. Bei Santa Rosalia (schon wieder) kommen wir erstmals an die Ostseite der Baja Halbinsel, an den Kalifornischen Golf. Phantastische Buchten und Sandstrände wechseln sich mit felsiger Steilküste ab. Amerikanische Rentner, Sonnenanbeter, und die, denen es in den USA zu teuer ist, treffen sich hier, um den Winter in Wohnwägen, Campingbussen und kleinen Häuschen zu verbringen und in den Sonnenaufgang zu blicken. Wir finden wunderschöne Zeltplätze an den Sandstränden und stoppen im kleinen Nest El Juncalito wo wir zu Gast bei Roberta in ihrem Häuschen erholsame Tage verbringen und ein bisschen von ihrer Idylle mit-leben dürfen, bevor wir die nächste Bergetappe in Richtung La Paz in Angriff nehmen. Steil geht es ein weiteres Mal hinauf in die Berge und auf der anderen Seite lange bergab auf die Westseite der Baja. Die letzten paar hundert Kilometer vor La Paz nimmt der Verkehr nun zu. Auch der "Gegenverkehr" – wir treffen erstmals in Mexiko kurz hintereinander zwei Pedalcowboys, die uns entgegen kommen (siehe getroffene Radler). Vor La Paz wird es noch mal hügelig und wir zelten ein letztes Mal umringt von Kakteen. Nachts heulen die Kojoten, Kühe besuchen unseren Zeltplatz und "muhen uns eins", der Sternenhimmel ist grandios und der Morgen beginnt mit Reifenflicken – die Kakteen waren wieder einmal stärker. Mit herrlichem Rückenwind fliegen wir La Paz entgegen und kehren bei Michael und Niurka einem deutsch-kubanischen Pärchen ein, und verbringen schöne Tage mit ihnen in ihrem tollen Haus...
10.11.2009, Ensenada (Mexiko): Mit Marlies und Setso unternehmen wir einen Ausflug (per Auto) in den Joshua Tree Nationalpark, wo wir auch unsere Fahrradfreunde Uwe und Simone (siehe getroffene Radler) (die sich für zwei Wochen einen Mietwagen genommen haben, bevor sie in Neuseeland und Australien radeln wollen) treffen. Der Park ist phantastisch: malerische Granitblöcke, unzählige Joshua Bäume, jede Menge verschiedene Kakteen. Wir sehen und hören Kojoten, Erdhörnchen flitzen von einem Schattenplatzerl zum nächsten und nachts steht der Vollmond hoch über uns und hüllt die Wüstenlandschaft in ein gespenstisch weißes Licht. Tagsüber wandern wir durch die abwechslungsreiche Landschaft und abends wenn es kühl wird sitzen wir lange am knisternden Lagerfeuer.
Nach ein paar weiteren Tagen in Los Angeles ist es für uns an der Zeit, wieder in die Pedale zu treten und uns von Marlies und Setso zu verabschieden. Wir rollen der Küste folgend nach Süden. Es ist kein einsames Dahinrollen durch die Natur mehr, sondern eine Stadt folgt der nächsten und von San Diego aus blicken wir zum ersten Mal über die Grenze nach Mexiko. Der Abschied von den USA fällt uns fast schwer, da wir in den letzten Tagen noch jede Menge netter Leute kennen gelernt haben (Danke an Steve, Linda, Dave, Paul - siehe auch unsere Kreativseite). Wir wählen den (aufgrund von Drogenbanden-Kriegen verrufenen) Grenzübergang bei Tijuana – nachdem wir keine Drogenbarone sind haben wir auch keine Probleme J. Es ist die meistfrequentierte Grenze der Welt, trotzdem sind wir im Nu in Mexiko! Hätten wir uns nicht selbst um einen Einreisestempel und eine Touristenkarte gekümmert, wären wir ohne aufgehalten zu werden einfach über die Grenze spaziert. Der Unterschied zwischen den USA und Mexiko ist krass: Mexiko ist um vieles ärmer als das Nachbarland – das ist augenscheinlich. Straßen haben Löcher, Sandhäufen und Steine liegen auf der Fahrbahn, Müll überall. Alles wirkt irgendwie schief und selbst gemacht, aber farbenfroh. Musik dröhnt aus Werkstätten und Geschäften. Passanten winken uns zu und Autofahrer hupen und strecken uns nach oben gerichtete Daumen aus den Fenstern. Lebensfrohe, lachende Gesichter überall. Es macht Spaß wieder in einem neuen Kulturkreis, in einem neuen fremden Land zu sein. Das staubige Tijuana haben wir bald hinter uns gelassen und gelangen zurück an die Küste. Wir fahren auf der Autobahn, da uns die kleine Straße zu gefährlich erscheint. Natürlich ist Radfahren auf der Autobahn auch in Mexiko verboten, aber das stört weder uns noch die Polizei. Am Weg nach Süden liegen kleine Orte in denen sich reiche Amerikaner eingezäunte Paläste bauen, Essensbuden reihen sich an den Strassen, wir finden leckere Bäckereien, an den Stränden stehen Hochhaushotels für sonnenhungrige Touristen und hinter uns her laufen jede Menge verwilderte Hunde. Wir erreichen nach zwei Tagen Ensenada, eine Stadt mittlerer Größe. Über die "Radfahrer beherbergen Radfahrer"-Seite www.warmshowers.org finden wir eine tolle Unterkunft, haben für ein paar Tage unsere eigene Wohnung und saugen die ersten Eindrücke Mexikos in uns auf...
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